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Roter Knopf (3281m)

„Nationalpark Hohe Tauern“, Schobergruppe

Nur mit große Sprüche klopfen kommt man auf keinen hohen Berg! Das ist nicht nur eine alte Naturfreunde-Weisheit, sondern auch jedem Wanderer klar. An diesem Wochenende stand die Besteigung des Roten Knopfs (3281m) am Programm, dem 2.höchsten Berg der Schobergruppe und unserem alpinen „Dach der Welt“ des heurigen Jahres. Mit dem abgeschiedenen Gößnitztal ganz im Nordwesten Kärntens konnten wir auch eines der schönsten Täler des Landes erkunden. Und es hat allen gut gefallen.

 

Freitag, 6 Uhr Früh. Kurzer Hand hatte ich den Treffpunkt um zwei Stunden vorverlegt, sodass sich die sechs Naturfreunde Peter, Maria, Erich, Brigitte, Robert und Thomas am Vassacher See Parkplatz trafen. Leider hatte sich die Gruppe im Laufe der Woche noch um ein Drittel reduziert. Und leider hat der Dreitausender nicht mehr Wanderern zugesagt. Vom Wetter hatte ich vormittags ein gutes Gefühl, nur nachmittags musste man immer mit einem Gewitter rechnen. Doch das kannten wir ja schon aus diesem Sommer.

Als wir in Heiligenblut (Ortsteil Winkl) am Parkplatz eintrafen, war der Himmel fast wolkenlos. Ein herrlicher Tag zum Wandern kündigte sich an. Es ging gleich zu Beginn sehr steil eine Forststraße hinauf, welche erst in den 1990er Jahren errichtet wurde. Bis dahin war das Gößnitztal nur schwer zugänglich. Gute 300 Hm mussten wir zu Beginn überwinden. Der Gößnitzbach fließt ein paar Meter weiter in einem mächtigen Wasserfall ins Tal herab. Oben, als der Weg flacher und das Tal weiter wurde, schlängelt er sich wild und ursprünglich durch das 9 km lange Seitental des Mölltales, welches südwestlich von Heiligenblut in die Schobergruppe hineinragt. Es gehört zu einem der am wenigsten durch den Menschen veränderten Täler der Ostalpen, und wahrscheinlich löst es deswegen so eine Faszination aus. Als wir die Wirtsbaueralm erreichten, waren wir schon 1 ½ Stunden unterwegs. Der Rote Knopf zeigte sich am Gipfel in einem Wolkenhut gehüllt und war nicht mehr frei einzusehen. Hat der Berg einen Hut, wird das Wetter gut. Ob das ein gutes Omen für uns war?

Der Aufstieg von der Alm zum Hochkasern hatte nochmals 350 Höhenmeter in sich, doch wir kamen gut voran. Immer wieder gab es kleine Wasserläufe und die wurden zum Trinkreserven auffüllen genützt. Wer es nicht tat, musste seine vollen Trinkflaschen selbst hinauftragen, wovon nur ich ein Lied singen konnte. Mein Rucksack war aber sowieso schwerer als der der anderen. Ich hatte nicht nur die Klassiker wie Verbandszeug, Poncho und Biwaksack drinnen, sondern auch noch Steigeisen und Grödeln. Laut Hüttenwirt braucht man diese am Roten Knopf zwar nicht, doch ich wollte und durfte mich nicht darauf verlassen. Wenn einer meiner Teilnehmer Probleme bekommt, muss ich ihn über ein Altschneefeld drüber bekommen oder mit ihm umdrehen. Wer Verantwortung trägt, muss eben mehr leisten tragen.

Nun begann der schöne Abschnitt entlang der Südostseite des Tales, entlang der drei Langtalseen hinein bis zur Elberfelder Hütte. Die Kulisse mit den hohen Bergen entlang des Tales, den vielen Almhütten unterwegs und dem Rückweg tiefer unten auf der anderen Talseite war einfach herrlich. Dies fand auch Erich so, denn er fand rasch schöne Zirbenzapfen für ein paar Liter Schnaps. Da war er in seinem Element. Interessant auch die Berghütten, wo zum Beispiel ein Fensterladen gleichzeitig die Funktion eines Tisches an der Wand hatte, wenn man ihn herunterklappte. Es ging immer wieder rauf und runter, nie einfach nur flach dahin. Doch die Steigungen waren im Großen und Ganzen moderat. In Summe machten wir aber trotzdem 1300 Höhenmeter an diesem Tag, mehr als ich gedacht hatte. Wir hatten auch immer wieder Bäche zu queren, die viel Wasser trugen, und die Steine zum Drüberhupfen mussten wir auch erst suchen. Aber es war schön. Die Landschaft hat mal wieder gezaubert im Gößnitztal, und die Farben waren klar und intensiv. Es war eine vom Gletscher geprägte Landschaft in der Schobergruppe. Und das galt vor allem für die drei Karseen. Sie hatten unterschiedliche Färbungen, waren relativ groß und wurden in einem vorderen, mittleren und hinteren Langtalsee benannt. Warum, weiß nur die Geschichte, doch auf Grund der Länge des Tales dürfte es klar sein. In ihnen spiegelten sich Altschneefelder am Gegenhang, sie waren umrundet von grünen saftigen Wiesen (zur Freude mancher Schafe), und das Wasser war manchmal klar und rein, manchmal Türkis und von Gletscherschmelze geprägt. Tief waren sie alle nicht. Allein der Abschnitt entlang der drei Seen dauerte ohne Pausen 1 ½ Stunden, war aber schön.

Einmal kam uns ein deutsches Urlauberpärchen entgegen und so erfuhren wir, dass es gestern ziemlich geregnet hatte. Welch Glück wir hatten! Bei so einem sonnigen Wetter präsentiert sich die Natur von ihrer schönsten Seite. Die Quellwolken über den Bergen waren harmlos. Glaubten wir zumindest. Je näher wir zur Hütte kamen, desto grauer wurden die Wolken und die Sonne verschwand zusehends. Doch es ging sich aus, sodass wir nach 6 ½ Wanderstunden die Elberfelder Hütte erreichten. Herbert, der Hüttenwirt, erkannte mich gleich wieder, denn vor zwei Jahren verbrachte ich im Rahmen des KGW zwei Nächte auf der Hütte. Sie gehört dem Deutschen Alpenverein (Sektion Wuppertal), wurde 1928 erbaut und 1982-1983 bedingt durch einen Lawinenschaden renoviert und erweitert. Heute verfügt sie über ein eigenes Wasserkraftwerk zur Energieversorgung und wird per Hubschrauber versorgt. Ihren Namen hat sie vom Wuppertaler Stadtteil Elberfeld.

Der Name des Gößnitztles ist übrigens slawischen Ursprungs und bedeutet so viel wie Tal der Ziegen. Davon sahen wir heute aber keine. Stattdessen waren einige Urlauber unterwegs, wo jeder für sich in ein Buch schaute und man wenig miteinander redete. Ob Mogsikaner oder Einheimische, jedem das seine. Dann fing es draußen doch noch zu regnen an. Das Abendessen war ausgezeichnet. Ein Lob der Küche, doch zum Kochen haben sie ja Zeit genug. Laut Wirt war in den letzten 10 Tagen nicht viel los. Das Wetter war einfach zu unbeständig und schlecht. Da sagen viele Gäste einfach wieder ab oder kommen erst gar nicht. Ich war froh, nach der Absage des Vorjahres es heuer endlich geschafft zu haben. Zumindest mal das Minimalziel Hütte war erreicht, und damit hatten wir schon gewonnen. Robert war schon in der Vertikalen, denn er hatte die Villacher Kirchtagsnacht durchgemacht. Aber nicht zur Gaude, sondern er hatte viel gearbeitet und nur wenig geschlafen. Über Erich erfuhren wir dass er einen guten Gesamteindruck hinterlässt, und das traf auch auf die Hütte und die heutige Tour zu. Ein Beispiel gefällig? Als Herbert uns später den morgigen Wetterbericht übermittelte, erfuhren wir nichts Gutes. Sie sagten schon für den Vormittag Gewitter voraus. Aber der Wetterbericht hatte in den letzten Wochen fast nie gestimmt, fügte er hinzu. Das war unsere Hoffnung. Ich vereinbarte mit ihm, zur Dämmerung um 4:45 Uhr nochmals das Wetter zu checken und dann entscheiden wir. Ja, auch das ist die Elberfelder Hütte. Hier entscheiden die Wanderer, wann sie losgehen und ein Frühstück haben wollen, und nicht die Hüttenordnung oder der Wirt. Flexibel, nett und hilfsbereit – und das gefiel uns allen gut. Wir gingen früh schlafen, hatten ein 6er-Lager für uns alleine, und die Nacht verlief ruhig und ohne große Schnarcher.

 

Die Samstag Morgendämmerung brach an. Leider war es draußen bewölkt. War es das? Nur ein kleiner heller Himmelskegel am Talanfang verwirrte uns. Schob es die Wolken herein oder hinaus? Aber es war windstill. Wie hoch war die Bewölkung? Wie vereinbart checkten wir die Wetterberichte, die alle nicht klar waren. Von Gewitter demnächst bis zu Regen erst am Nachmittag war alles dabei. Was also tun? Ich informierte meine Gruppe und wir entschlossen erst mal Frühstücken zu gehen. Es gab selbstgemachtes Brot und einen guten Kaffee. Nachschlag so viel wir wollten. Ein Teil wollte gleich hinunter nach Heiligenblut gehen, ein Teil hinauf in Richtung Gipfel. Ich entschied, dass wir es wenigstens mal probieren. In einer Stunde wissen wir vielleicht schon mehr.

Und wir alle trauten unseren Augen nicht. Noch während des Weggehens riss die Wolkendecke auf, blaue Stellen kamen am Himmel hervor und erste Sonnenstrahlen schienen auf die Berggipfel im Westen des Tales. Im Prinzip waren die Wolken eine Nebelschichte, die sich jetzt um 6 Uhr langsam löste. Darüber war schönes Wetter. Alles geklärt. Wir gingen es langsam an und das Wetter wurde immer besser. Der Rote Knopf erstrahlte in der Sonne vor uns, doch es war noch weit bis hinauf zu seinem Gipfel. Insgesamt fast 1000 Höhenmeter hatten wir zu bewältigen. Wir gingen es langsam an, und ich rechnete nicht mehr mit einem Gipfelerfolg. Denn wir waren zu spät weggekommen. Drei Stunden braucht man für den Anstieg, zwei für den Abstieg - da wird das Wetter nicht mitspielen. Ein Gewitter kommt hier schnell und wir hätten eigentlich um 5 Uhr weggehen müssen. Erich und Robert strotzten nur so vor Energie. „Da Vota hot gsogt, wenn die Wolkn oba kumman, kemma aufegehn. Wenn die Wolken aufe steign, mias ma vom Berg oba gehn.“, meinte Erich und war begeistert. Ich merkte rasch, dass das Tempo der Gruppe beide nur aufhielt und ließ sie vorne voraus gehen. Sie waren erfahren genug, da brauchte ich mir keine Sorgen machen. Wenn sie eine Gipfelchance haben, dann sollen sie sie auch nützen. Aber ich hatte auch einen Selbstzweck für die Gruppe mit dieser Entscheidung im Hinterkopf, und ich bin mir sicher, die beiden werden es mir verzeihen. Denn beide machten vorne auf den Schneefeldern eine Spur für die anderen hinten, sodass wir nicht zu viel Zeit damit vergeudeten.

Zur Hälfte des Anstieges blieb Brigitte hinten. Sie war der Meinung, sie hält die Gruppe auf. Eigentlich Blödsinn. Doch da wir alle nicht wussten wie lange das Wetter durchhält, war es wahrscheinlich im Nachhinein eine gute Entscheidung. Maria und Peter gingen ihr Tempo. Peter kämpft meist immer ab einer Höhe von 2700m und Maria hatte gestern schon Kreuzweh bekommen. Ich versuchte vor ihnen die Schritte von Robert und Erich mit meinen steigeisenfesten Bergschuhen auszutreten, damit sie es noch leichter haben. Sie kamen auch gut voran, sowohl im Schnee als auch im Fels. Doch plötzlich auf ca. 3100m kehrten sie um. Ich vermute für Maria reichte es. Vielleicht war auch der Blick auf die steile Wand kurz unter dem Gipfel furchteinflößend, doch sie hätten sie sicherlich geschafft. Also war ich alleine, gab Gas und stieg rasch zu den beiden Gipfelstürmern Erich und Robert nach. Wir hatten alle drei dem Gipfel des Roten Knopf bei noch schönem Wetter erreicht und genossen sogar noch einen freien Blick auf den Großglockner. Wind war fast keiner. Es war ein schönes Gefühl für alle. Erich hatte vom Hüttenwirt noch eine Aufgabe übernommen. Er hatte das neue Gipfelbuch heraufgetragen, uns auf die erste Seite eingetragen (in seiner schönsten Schrift, vermutlich in deutscher Kurrentschrift) und das alte Buch für den Rücktransport verstaut. Nach einem Gipfelfoto machten wir uns um 9 Uhr wieder auf den Abstieg.

Es ging über den Südostgrat wieder bergab. Meist Blockstein Geherei. Wir nutzten aber auch die Altschneefelder um auf ihnen talwärts zu rutschen, was mit den Stöcken recht gut ging. So machten wir viel Zeit wett, und holten kurz vor der Hütte auch noch die anderen ein. Um halb 11 Uhr war das Unternehmen Roter Knopf geschafft. Ein Wahnsinn, denn damit hatte heute niemand mehr gerechnet. Zur Stärkung gab es Suppen oder ein Hirschragout, oder einfach nur die Jause vom Gipfel. Robert schmiss eine Runde zum Trinken (Vergeltsgott), Erich packte seinen Rucksack neu ein und Peter zauberte eine Schaumkrone in sein Weizenbierglas. Einfach perfekt. Unser Hüttenwirt gratulierte uns zur Leistung, bedankte sich fürs alte Buch und das Wetter hielt mit Sonnenschein noch stand. Von Gewitter hörten und sahen wir noch lange nichts. Eine ¾ Stunde später hieß es Abschied nehmen, denn uns stand noch ein 3-4 stündiger Abstieg am Normalweg bevor. Prinzipiell war der Weg ok, nur gab es immer wieder viel Wasser auf ihm und das gefiel mir nicht. Die Schuhsohle war in dem nassen erdigen Boden bald verdreckt und da konnte man an den felsigen Abschnitten schon mal ausrutschen. Noch schlechter wurde es ab der Hinterm-Holz-Alm, wo man in unzähligen lauten Hubschrauberflügen Material für den Neubau einer Hütte hereinflog. Eine Mitnahme im Falle eines regnerischen Wetters war nur Illusion, denn die Hubschrauber landeten nie. Ab der Alm war der Weg breiter und durch das Befahren von Quad Maschinen noch schlammiger und dreckiger.

Trotzdem zählt für mich das Gößnitztal zu den schönsten Tälern Kärntens, und bestimmt ist es am abgeschiedensten und nicht so leicht zu erreichen. Man muss wohl Idealist sein, um hier zu arbeiten, zu wandern oder seine Freizeit mit der Natur zu teilen. Erich fiel am meist wortlosen, langen Abstieg immer noch ein Spruch zum Lachen ein, wenn er Leute mit „A manst i liag auf da Höh“ oder „Oba wenn ma blöd ist, donn is dos a ka Schond“ konfrontierte. Das Wetter hielt, und während hinten im Tal rund um die Elberfelder Hütte dunkle Wolken aufzogen, hatten wir vorne sogar noch viel Sonne, die auf unsere Haut brannte. Eine Viertelstunde vor 3 Uhr nachmittags hatten wir die lange aber schöne Runde im Gößnitztal inklusive Roten Knopf Besteigung geschafft. Es war ein schönes Gefühl. Alle waren zufrieden aber auch müde. Am heutigen Tag waren wir inklusive Pausen knapp 9 Stunden unterwegs gewesen. Viele hatten fast 1000 Höhenmeter im Aufstieg und 2000 Höhenmeter im Abstieg bewältigt. Ich konnte (und war es auch) sehr stolz auf diese kleine kompakte Gruppe St.Jakober Naturfreunde, wo eigentlich alle von auswärts kamen. Egal. Angeboten wird so eine Tour für alle. Erneut hatten wir wieder eine Wanderung erfolgreich geschafft. Bis zum nächsten Mal - Berg frei!

 

(Bericht von Thomas)

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