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Hemma Pilgerweg - Ossiach nach Gurk

Auf Hemmas Spuren in Kärnten

Wandern kommt von Wandeln. Also wandelten wir an diesem Wochenende auf den Spuren der Heiligen Hemma vom Stift Ossiach über Steuerberg nach Gurk. Eine zweitägige Pilgerwanderung sollte es werden, mit netten Naturfreunden, schönen Eindrücken und interessanten Impulsen. Und wenn möglich ohne Regen. Und genau das erlebten wir auch unter unserer Pilgerwanderführerin Lydia. Anders als bei vielen mehrtägigen Wanderungen schuf sie etwas Neues. Nicht nur gehen, sondern auch mit den Gedanken woanders zu sein.

 

Olles Heilige“, bemerkte Peter an diesem Samstag Morgen um Viertel vor 8 Uhr, als wir uns am Parkplatz vor dem Strandbad in Ossiach trafen. Wie recht er doch hatte, und so konnte er seiner Frau Maria, Lydia und Franz, Walter, Klausi und Ulli, Brigitte U, Irmi und Karin, Christine S, Rosi, Bernadette und Ines, Elly, Roman, Arnold und Doris, Christine E, Ruth und mir die Hand geben. Wir alle wollten nach Gurk wandeln, und ließen uns von der schlechten Wetterprognose nicht abraten. Vor der eigentlichen Pilgertour besichtigen wir zuerst die Stiftskirche in Ossiach, zündeten in Gedenken ein paar Kerzen an Verstorbene an, beteten und wurden von Lydia über die Geschichte des Stifts, die heilige Hemma und das Pilgern informiert. Wer war eigentlich diese Hemma von Gurk? Sie lebte vor 1000 Jahren, war die Gemahlin des Grafen Wilhelm von Friesach und verlor bald ihre beiden Söhne und ihren Gemahl durch Ermordung. Als eine der reichsten Frauen Kärntens der damaligen Zeit zog sie sich nach diesen Schicksalsschlägen zurück, verschrieb sich streng dem katholischen Glauben und den armen Menschen, gründete die Stifte in Admont und Gurk, und spendete den Bau vieler Kirchen wie jene in Friesach, Glödnitz, Sankt Lamprecht oder Pisweg. Sie wird als Heilige verehrt und ist die Schutzpatronin Kärntens. Hemma wurde in der Krypta des Doms zu Gurk begraben. 1287 wurde sie selig- und 1938 heiliggesprochen.

Es war ein perfekter Anfang, denn parallel zur Einstimmung auf unsere Themenwanderung ‚Dem Leben vertrauen‘ verschwand die morgendliche Bewölkung und so wurde es bald wieder sonnig und warm. Es wurde sogar so schön, dass ich meinen ersten Sonnenbrand des Jahres im Nacken bekam. Typisch ich. Der erste Abschnitt vom Stift Ossiach vorbei an Alt-Ossiach zum Bleistätter Moor verlief gemütlich im Wald, ehe es ab dem Ossiacher See Ostufer entlang der Tiebel nach Feldkirchen ging. Teile des Moors wurden geflutet und man will einen Teil der Landschaft wieder der Natur zurückgeben. Ob die Hemma-Pilger vor Jahrhunderten auch auf diesem Weg gingen, wissen wir nicht. Damals schaute die Welt noch anders aus. Häuser und Ortschaften gab es nicht, auch nicht die vielen Felder der Bauern. Der Ossiacher See war sicher noch größer und der ganze Talboden sumpfig. Karten, Wegmarkierungen und gelbe Hemma Taferln gab es auch keine, und fragte man einen Einheimischen nach dem Weg, schüttelte dieser nichts wissend den Kopf oder lief gleich davon. Pilgern im 13.Jahrhundert war noch eine Weltreise, eine Tortour oder zumindest ein Abenteuer. Heute war vieles anders. Die Gruppe war gut, und gemeinsam hielten wir das Tempo, sodass wir pünktlich unser Mittagsziel Gasthaus Seitner in Feldkirchen erreichten.

Dort war man auf uns schon vorbereitet, sodass die Verköstigung von 21 Personen relativ schnell über die Bühne ging. Perfekt organisiert von Lydia. Danke! Ines bekam eine Blase auf einem Fuß, was wir mit einem Blasenpflaster noch versuchten zu lindern, doch im Laufe des Tages wurde das Wandern für sie immer schwieriger. Am Abend entschloss sie sich zum Abbruch, was die richtige Entscheidung war. Doch noch war Mittag. Um 13 Uhr ging es weiter zur Kirche Maria im Dorn, welche Baustile von der Romanik, Gotik, Barock bis hin zur Moderne aufweist. Ein Mix der nicht gefiel. Im Inneren war auch ein Wandbild der heiligen Hemma zu bewundern. Lydia brachte wieder einiges an Information ein, was zumindest mir sehr gut gefiel. So erfuhr ich, dass Marienkirchen immer hell sind, was man von Stiftskirchen nicht immer behaupten kann. Aber auch Kirchen wandeln sich. Oft trägt man seine Sorgen und Nöte an die Kirche heran, und allzu oft geht man mit diesen auch wieder nach Hause.

Wandern kommt aber auch von wenden, also man bewegt sich fort, wendet mehrmals seine Richtung und kommt wieder zum Ausgangspunkt zurück. Richtige Wanderer wollen keine Rekorde brechen, sondern etwas sehen oder erleben, und manchmal sich auch besinnen und erholen. Also wendeten wir auf unserem Weg weiter, der uns um den Tschwarzenberg herum über Haiden zum Bildstock nahe St.Ulrich führte. Einige wankten schon, also dürfte nicht nur Ines eine Blase an den Füßen haben. Von Roman wusste ich Bescheid (verkürztes Bein), doch hinten schaute der Gang so manch anderer etwas unrund aus. Wir waren schon richtige Pilger geworden. Damals waren es Mönche, die auf ihren Pilgerpfaden in die weite Welt hinausging, von ihrem Glauben und der Wohltaten unserer Hemma berichteten, und auch etwas unrund gingen. Auf diesen Pfaden etablierten sich im Laufe der Zeit die Hemmapilgerwege, von denen es mittlerweile 8 Stück gibt. Man kann somit aus allen Richtungen nach Gurk pilgern. Eigentlich waren die Mönche von früher auch schon Wanderer. Die Wolken über uns wurden dunkler, doch es blieb trocken. Statt Regen von oben gab es Segen herunten.

Bevor es den Roggbach entlang hinauf nach Rotapfel ging, bekamen wir von Christine S einen weiteren bereichernden Impuls. Entlang des Baches versuchten wir 10 Minuten lang nichts zu reden. Stattdessen einfach nur unsere Gedanken sammeln und uns von den schlechten trennen. Tolle Erfahrung. So viel hab ich noch nie weggeschmissen. Meine Hoffnung und meine Gebete galten dem Himmel, und mit vereinten Kräften von oben blieb es während unserer Wanderung heute trocken. Dem Himmel sei Dank. Die Ursache lag natürlich im warmen föhnigen Wind, denn solange der blies, blieb es trocken. Da hatte die feuchte Regenluft vom Süden keine Chance und musste in den Julischen Alpen bleiben. Kurz nach 16 Uhr kamen wir in unserem Etappenziel an, wo uns unsere Wirtin Helene herzlich begrüßte. Sie umarmte uns alle, und hätte am liebsten gleich ihre „Schäfchen“ abgebusselt. Mit ihren stark aufgerundeten 70 Jahren war sie ein ganz eigener Schlag, hatte Temperament und gute Laune. Sie lebte für die Pilgerer, mit den Wanderern und von uns. Und das sicher nicht schlecht.

Doch bevor wir uns in den Abend stürzten, machten wir uns noch auf eine kurze halbstündige Wanderung zur Kirche St.Johann in Unterhof, Morgen blieb leider keine Zeit für Steuerberg und dieses kleine Bergkirchlein, also besichtigten wir es schon heute. Wir bekamen auch eine kleine Führung einer Dorfbewohnerin. Bis in die 1980er Jahre war die Kirche dem Verfall preisgegeben, ehe man mit viel freiwilliger Hilfe sie renovierte. Sogar die alten originalen Stein-Dachziegel wurden gesäubert und am steilen Kirchendach wieder angebracht. Lydia gab mir in der Kirche einen Zettel. Nett. Ich las ihn durch, und gab ihn ihr wieder zurück. Ich begriff gar nicht (wahrscheinlich als einziger, Anmerkung der heiligen Hemma), dass ich in diesem Impuls den Inhalt hätte vorlesen sollen. Sorry Lydia. Dumm gelaufen. Auch bei unserem vorabendlichen Abstecher blieb es noch trocken.

Zurück im Weiser Hof ging ich zuerst mal duschen, ehe wir uns nach und nach in der Gaststube einfanden. Zum Essen gab es viel, nur die Kasnudeln waren viel zu schnell aus. Hatte Helene diese nicht extra für uns gekocht? „Du Tscherpale, wennst hungrig bist, bist sölba Schuld.“ Wie recht sie doch hatte! Also bestellte ich einen Braten. „G‘sölcht oder gekocht? – Kennst di nix aus!“ Schon wieder trat ich ins Fettnäpfchen. „Brauchst mi nit so onschaun. Bin eh schön gnuag.“ Ja, Helene verstand es die Leute zu unterhalten. Dabei könnte der Spruch von mir stammen. Von Rosi erfuhr ich, dass ihr Mann unterwegs war. Er holte sie ja heute noch ab. „Oba wohin er foart, was i nit“, meinte sie zu mir. Obwohl es ein netter Scherz war, steckte auch ein Funken Wahrheit drinnen. Dieses Rotapfel liegt so abseits mitten in Kärnten, dass man es selbst mit einem Navi nur sehr schwer findet. Walter war nach einem Bier und vor dem ersten Achterl Rotwein schon gut drauf. „Chefin, wie geht’s?“ Nur Helene wusste noch eines draufzusetzen: „Besser geht es nimma“, und sie ging schweren Ganges in die Küche zurück. Als sie das nächste Essen servierte, musste sie die Tür einen Moment aufmachen. Bei dem vollen Haus war es ziemlich warm geworden in der großen Stube. „Do wird jo die Kua draußn tamisch“, war ihre einfache Begründung.

Unser gemütlicher Abend ging lustig und alles andere als durstig dahin. Nach der Abrechnung (zusätzlich zu Ü/F, dem Abendessen und dem morgigen Lunchpaket kostete alles pauschal nur 8 Euro pro Person; ein Danke an unsere Wanderführer) servierte eine gut gelaunte Helene einen ganzen Krug voll Schnaps, und schon leicht angeheitert erfuhren wir auch von ihr einiges über das Pilgern. „Wo die Wabn liegt, is mir ziemlich wurscht.“ Hauptsache die Kirche und sie machte ein Geschäft. Wandern ist inzwischen auch ein Business geworden. Das merken wir nicht nur in den Sporttempeln. Dass der Pilgerweg durch ihren Hof ging und sie die Pilger schon seit Jahrzehnten liebte, das war ihre Bestimmung. Ihr Leben. Und es ging noch emotionaler. Drei Kinder und 13 Pflegekinder hat sie groß gezogen. Ihr ganzes Leben hat sich hart gearbeitet. Alle Produkte stammen frisch vom Hof, und werden in der Umgebung verkauft. Direktvermarkter. 500-600 kg Brot macht sie mit ihren Helferinnen monatlich, und die Nachfrage ist groß. Und weit war sie von zu Hause auch nicht weggekommen, doch in ihrer Welt kannte sie sich aus. Dass Klausi so wenig Sprachanteile an einem Abend hatte, verdankte er Helene. Das fiel sogar seiner Ulli auf. An diesem Abend waren wir uns nach einigen Achterln Rot, Bier und Schnaps einig: Nach der heiligen Hemma wird eines Tages auch die lustige Helene heiliggesprochen. Zumindest für uns Wanderer. Denn sonst wird wirklich die Kuh tamisch. Gute Nacht!

 

Als ich am Sonntag erwachte und noch immer keinen Regen von draußen vernahm, war ich sehr positiv eingestellt. Das könnte klappen, also ohne Poncho und ohne Schirm. Das Frühstück war dann ausgiebig und gut. Es fehlte anfangs zwar der Kaffee, doch Reindling, Wurst und Käse, und Brot und Butter machten uns glücklich. „Is Verloss auf di?“, hatte gestern Walter noch unsere Helene gefragt, und sie antwortete mit „Jo konnst da vurstölln.“ Spätestens heute wussten wir, wie sie das gemeint hatte. Auf unsere bezahlten Jausenbrote hatte sie vergessen. Also machte sich jeder sein eigenes Lunchpaket, denn die Tische waren ja reichlich gedeckt.

Wandern kommt auch von Wallen. Und so ist eine Wallfahrt eine Form des Wanderns, wo mit Besinnung und mit stillen Gebeten an Gott gedacht wird. Das taten wir an diesem Wochenende öfters. Amen. Als wir um 7 Uhr aufbrachen und uns von unserem guten Geist Helene verabschiedet hatten, regnete es bereits. Schade, und so schlüpften einige in ihre Regenponchos. Doch schon nach wenigen Minuten war der Spuk wieder vorbei und es blieb für den Rest des Tages trocken. 19 Naturfreunde machten sich am Goggausee auf den Weg Richtung Zammelsberg. Am ehemaligen Mühlenweg mussten wir den einen oder anderen Weidezaun überwinden, doch mit kameradschaftlichen Handeln und Denken kein Problem. Am Weg durch Edling bis nach Kötschendorf sah ich in vielen Gärten ein Hochbeet – egal ob es nun eine Ursula, Helene oder Hemma war.

Gemma jetzt noch Zammelsberg oder nicht?“, diese Frage stellten wir uns, als die Sonne hervorkam und wir genug Zeit hatten. Manche waren dafür, manche wollte lieber in Kötschendorf warten. Schließlich ging keiner in den Ort hoch über Weitensfeld, denn ein Radrennen sollte bald auf unserem Weiterweg stattfinden und so schauten wir, dass wir den Gurktaler Höhenweg erreichten. An der Abzweigung in einer scharfen 180 Grad Kurve machten wir eine verdiente Vormittagspause und konnten so die fleißigen Radfahrer anfeuern. Hier begann nun der 11 km lange Höhenweg hoch über Gurk, der uns an unser Ziel bringen sollte. Ein paar NFler waren schon müde geworden, doch jeder wollte das Ziel erreichen. Keiner wollte aufgeben, sondern wandelnd mit ein paar Wendungen eine  wallende Tour beenden.

Am langen Höhenweg durch den dichten Wald hoch über Gurk hatte ich viel Zeit, und konnte so meine Gedanken freien Lauf lassen. Wandern ist ideal fürs Nachdenken und Überlegen. Die besten Ideen kommen einen dabei. Und so gefiel es mir, wenn andere um mich herum ruhig waren und auch nachdachten. Impulse zeigten ihre Wirkungen. Wenn man aber vorne (bei den Flotten) niemanden reden hörte und selbst hinten (bei den Gemütlichen) selbiges erfuhr, wurde das seltsam. Ich war mir nicht im Klaren, wie schnell Lydia’s Impulse von den Naturfreunden angenommen wurden. Das Pilgern zeigte Wirkung. Bevor mir der Heilige Geist erschien, durchbrach ich die Stille, mischte mich in die Mitte und begann zu reden. Heiter und lachend ist es doch schöner. Wir machten eine Pause kurz vor St. Philippen, wo Franz aus seinem Sherpa Rucksack die große Gurktaler Kräuterlikör Flasche samt einem Reindling zauberte und an alle verteilte. Lydia und Franz hatten an diesem Wochenende immer eine Überraschung parat. Danke!

Bei Pisweg verließen wir bewusst den Hemmaweg um im Ort beim Kramerwirt auf ein Getränk samt Nachspeise einzukehren. Die 1-stündige Pause tat gut und war wohlverdient. Anschließend ging es noch zum Debriacher Kreuz, welches 1692 errichtet wurde und schon viele Pilger gesehen hat. Inzwischen war der Himmel fast wolkenlos geworden. Welch Wetterglück wir an diesem Wochenende hatten! Nun ging es nur mehr den ehemaligen Rodelweg hinunter nach Gurk, wo wir alle wohlbehalten und gut gelaunt bei extra für uns eingeschalteten Glockengeläut um 16:22 Uhr ankamen. So mancher hatte Tränen in den Augen, denn Lydia hatte sich die beste Überraschung bis zum Ende aufbehalten. In modernen Zeiten der Handykommunikation ist vieles möglich, auch bei alteingessenen Klosterfrauen. Wir alle waren in diesem Moment einfach nur dankbar, glücklich und überwältigt. Willkommen in Gurk, willkommen bei der Heiligen Hemma. Wie mussten sich einst die vielen Pilger gefühlt haben, als sie endlich an ihrem Ziel angekommen waren? Erschöpft und erleichtert. Nur während sie den weiten Weg wieder zurückgehen mussten, wurden wir später bequem nach Ossiach zurückgebracht. Auch die Zeit wandelt sich.

Wir bekamen eine Führung durch den Gurker Dom, konnten in der Krypta die Grabstätte der heiligen Hemma bewundern und uns mit unseren Gedanken in kirchlicher Nähe allein lassen. Nach einem Gruppenfoto folgte noch ein sehr gutes Essen im Gasthaus Erian in Gurk, ehe uns ein Bus über Sirnitz und Feldkirchen zurück nach Ossiach brachte. Spät war es geworden. Lydia übergab allein einen Pilgerpass und eine Urkunde, als Zeichen für die Bewältigung des langen zweitägigen Pilgerweges (50 Kilometer und 1300 Höhenmeter in 20 Stunden, Auszug aus meinem Tourenbuch). Es war für jeden seine eigene, persönliche Erfahrung. Für mich war es nicht nur eine weitere sportliche Leistung, sondern auch ein Ankommen, Hineindenken und Teilnehmen in eine andere Form des Wanderns, genannt Pilgern. Eine Bereicherung in meinem Leben. Danke an Lydia, an alle NFler und an die Heilige Hemma. Berg frei.

 

(Bericht von Thomas)

 

Nachsatz von Hemma: Wandelt mit offen Augen und Ohren auf meinen Pfaden, und nicht mit dem Auge am Sucher eurer Kameras. Deswegen nur ein Foto zu dieser Wanderung. Danke!

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